Eklat nach Sitzung der Gemeindevertretung

Kleinmachnow, 20.09.2020

Im Anschluss an die Sitzung der Gemeindevertretung am 17.09.2020 kam es zu einem Eklat – allerdings nicht in der Form, wie sie in einem Artikel der PNN dargestellt wird, sondern in Form der Reaktion der Grünen Fraktionsvorsitzenden Alexandra Pichl.

Dem war ein Disput über die Art und Weise vorangegangen, in welcher Form Bürgerbeteiligung in Kleinmachnow gelebt oder besser gesagt gerade nicht gelebt wird.

Um den gesamten Kontext zu verstehen, muss man sogar noch weiter zurückgehen – und zwar ins Jahr 2017, als seitens der Verwaltung ein »Bürgerdialog« zur Verbesserung der Verkehrssituation in der historischen Kleinmachnower Sommerfeldsiedlung gestartet wurde.

Kurze Rückblende (1): Bürgerdialog (2017–2019)

In Reaktion auf die von Seiten der Anwohner*innen als manipulierend empfundene Moderation der jeweiligen Veranstaltungen hatte sich damals eine Bürgerinitiative gegründet, die den gesamten Prozess kritisch begleitet und sich stets um konstruktive Moderation bemüht hat – unter anderem durch eine repräsentative Umfrage unter den Anwohner*innen.

Politische Unterstützung fand die Bürgerinitiative damals durchaus, insbesondere durch die Ortsverbände der Grünen, der Linken sowie der BiK. Das Ergebnis war ein Grundsatzbeschluss kurz vor Ende der letzten Wahlperiode, der in wichtigen Punkten zwar strittig war, allerdings auch Konsens erkennen ließ.

Kurze Rückblende (2): Die Kommunalwahl 2019

In der folgenden Kommunalwahl haben dann sowohl die Grünen (u.a. mit dem Einzug Alexandra Pichls in die Gemeindevertretung) als auch die BiK an Stimmen hinzugewonnen. Mehrere Mitglieder der Bürgerinitiative hatten zudem auf Seiten der BiK kandidiert, so auch die in der Zeitungsmeldung adressierte jedoch nicht namentlich genannte Person, gegen die sich Frau Pichl nun zu wehren vorgibt.

Die aktuelle Situation

Leider hat sich der Kurs der Verwaltung auch in der jetzigen Wahlperiode fortgesetzt. Wie nicht anders zu erwarten, hat dies erneut zu Protest seitens der Bürgerinitiative gegen die eingereichte Beschlussvorlage geführt.

Insbesondere die dort favorisierte Erneuerung der historischen Straßendecke durch Asphalt steht dem Votum der Anwohner*innen diametral gegenüber, von denen sich in der oben zitierten Einwohnerumfrage 90% für eine Erneuerung in Beton aussprachen.

Nun zur beschließenden Sitzung der Gemeindevertretung. 

Besonders verwunderlich: Der massivste verbale Angriff des Abends kam während der Einwohnerfragestunde von Peter Wittschorek, einem Anrainer der Förster-Funke-Alle, der Bürgermeister Grubert und der Verwaltung im Zuge eines Grundstücksverkaufs für die anschließende Bebauung mangelnde Bürgerbeteiligung vorwarf.

Kritik an Verfahren zur Bürgerbeteiligung

Den Anwohner*innen war dort vor dem Verkauf des Grundstücks ein Bürgerdialog versprochen worden, der Aufschluss über den Käufer und die geplante Bebauung geben sollte.

Angesichts der wiederholten Hinhaltetaktik seitens der Verwaltung sowie des dokumentierten Wortbruches – hier zitierte Gemeindevertreter Max Steinacker (BiK) flankierend aus dem Protokoll der besagten Sitzung – stellte Herr Wittschorek am Ende seines Redebeitrages die Frage, warum man dem Wort des Bürgermeisters überhaupt noch Glauben schenken sollte. Dieser zog es vor, auf die Frage nicht zu antworten. 

Im Anschluss daran artikulierten mehrere Anwohner*innen der Sommerfeldsiedlung ihren Unmut über die nun ebenfalls zur Entscheidung anstehende Beschlussvorlage zur Straßenerneuerung im Siedlungsgebiet.

Volker Oppmann (ebenfalls Mitglied der Bürgerinitiative als auch sachkundiger Einwohner der BiK im Ausschuss für Kultur, Schule und Soziales) bezog sich sogar dezidiert auf seinen Vorredner, Herrn Wittschorek, mit dem Hinweis, dass man im Gegensatz zu den Anwohner*innen des Förster-Funke-Allee zwar einen Bürgerdialog bekommen habe, er sich allerdings die Frage stelle, weshalb man überhaupt Bürgerbeteiligung suggeriere, wenn diese dann aber nicht gelebt werde.

Es folgten weitere Anwohner*innen der Sommerfeldsiedlung, die zwar alle durchaus empört, inhaltlich aber völlig sachlich waren. Und um es erneut zu betonen: Die vorgebrachte Kritik richtete sich allen voran an Bürgermeister Grubert und die Verwaltung.

Wortbeitrag von Alexandra Pichl während der Einwohnerfragestunde

Umso unverständlicher war der verbale Ausbruch der Grünen-Vorsitzenden Alexandra Pichl, die sich während der Einwohnerfragestunde von ihrem Sitz erhob und mit sich überschlagender Stimme gegen die anwesenden Bürger*innen anredete.

Ihr Tenor: Sie verbiete sich die permanente Kritik an den öffentlichen Entscheidungsträger*innen, die ihre Ämter schließlich alle nur ehrenamtlich ausfüllten und beklagte die Belastung durch die Menge an Information und Anschreiben im Vorfeld der Sitzung.

Ihre Empfehlung an die anwesenden Anwohner*innen: Sie hätten sich bei der Kommunalwahl schließlich auch wählen lassen können, wenn sie hier mitsprechen wollten. Sie als gewählte Gemeindevertreter*innen seien allerdings für über 20.000 Bürger*innen verantwortlich und nicht nur für die knapp 2.000 Anwohner*innen der Sommerfeldsiedlung (von denen an diesem Abend zwischen 50 und 60 anwesend waren).

Frau Pichl hat diese Position später im Tagesordnungspunkt zur Beschlussvorlage noch einmal bekräftigt, um dann ebenfalls für die in der Kritik stehende Vorlage der Verwaltung zu stimmen.

Kritik an Frau Pichl

Ein Anwohner, der ebenfalls sowohl Mitglied der BiK als auch der Bürgerinitiative Sommerfeldsiedlung ist, hat dies zum Anlass genommen, Frau Pichl direkt im Anschluss an die Sitzung im noch gut gefüllten Bürgersaal des Rathauses mit den Worten »das wird Ihnen noch um die Ohren fliegen« – und nicht, wie es in dem PNN Artikel hieß: „Das werden Sie noch bezahlen“ – zur Rede zu stellen, worauf Frau Pichl erneut die Stimme erhob und rief »Wollen Sie mich bedrohen?«.

Besagter Herr entgegnete, dass dies nicht in seiner Absicht läge, er aber sehr wohl der Meinung sei, dass ihr der heutige Auftritt politisch schaden werde, da sie auch die eigenen Wähler*innen vor den Kopf gestoßen habe, worauf Frau Pichl ihre Frage nach Bedrohung einfach lautstark wiederholte. Besagter Herr hat den Saal daraufhin in Begleitung seiner Frau verlassen, sich draußen noch kurz unterhalten, um anschließend nach Hause zu gehen.

Frau Pichl verließ den Saal wenig später scherzend in Begleitung. Von Bedrohung oder gar Angst keine Spur.

Der Eklat

Der eigentliche Eklat erfolgte am kommenden Tag in Form eines Tweets sowie der diesen Tweet zitierenden Meldung in der PNN, deren Einstieg wir hier kurz zitieren möchten (der Artikel selbst wurde mittlerweile überarbeitet, ist aber in Screenshots dokumentiert):

Bedroht nach der Sitzung der Gemeindevertreter

Für Kommunalpolitiker ist das Klima rau geworden. Das zeigt ein Fall aus Kleinmachnow. Grünen-Landeschefin Alexandra Pichl wehrt sich gegen einen Einschüchterungsversuch.  

Potsdam/Kleinmachnow – Alexandra Pichl hat es öffentlich gemacht. Nach dem Vorfall bei der Gemeindevertretung am Donnerstagabend hat sie Freitagmorgen getwittert:

Screenshot: Twitter

Der Artikel schließt mit den Worten: Von außen möge der Vorfall vielleicht nicht so schlimm erscheinen, aber sie habe sich entschieden, an die Öffentlichkeit zu gehen – auch zum Selbstschutz, sagte sie den PNN.

Sie suggeriert damit ein Bedrohungsszenario – nachts als Frau allein auf dem dunklen Nachhauseweg durch Kleinmachnow. Man rückt sich mit einer entsprechenden Äußerung über Twitter natürlich auch gleich in einen Kontext anonymer rechter Troll-Netzwerke, die zur Jagd auf liberale Politiker*innen blasen.

Frau Pichl stellt sich damit in eine Reihe von Grünen-Politikerinnen wie Annalena Schmidt, die in Bautzen tatsächlich Opfer rechter Bedrohungen waren bzw. sind. Selbst der Mord an dem CDU-Politiker Walter Lübcke wird in dem Artikel ins Feld geführt.

Weiterhin wird mit Zitaten des Innenministers und einem ebenfalls angeführten Verfassungsschutzbericht ein verbales Bedrohungsszenario aufgebaut, in dem von »Hass und Hetze«, einer »alarmierenden Entwicklung«, einem »Spektrum der Taten«, »Beleidigung«, »Nötigung«, »Bedrohung«, »Körperverletzung« und sogar »Brandstiftung« die Rede ist.

Dies steht in keinerlei Verhältnis zur tatsächlichen Situation in Kleinmachnow – weder an diesem noch an sonst einem Abend.

Screenshot: Artikel in der PNN

Unverhältnismäßigkeit und Selbstinszenierung

Der Artikel stellt den »Vorfall« sowohl verbal als auch durch die Wahl des Titelbildes in eine Reihe mit Hass-Delikten im Netz sowie die tatsächliche Verfolgung von Politiker*innen durch rechte Netzwerke.

Das lässt sich mit der tatsächlichen Situation in Kleinmachnow überhaupt nicht vergleichen: Kleinmachnow hat entgegen dem Trend der letzten Kommunalwahl vornehmlich Grün und links gewählt. Die so genannte AfD hat es gerade einmal auf einen Sitz geschafft. Von einem rechten Mob in Kleinmachnow keine Spur.

Kleinmachnow stellt damit sowohl im brandenburgischen als auch im bundesweiten Vergleich eine einsame Insel der Glückseligen dar, frei von Gewalt oder Bedrohung im politischen Bereich.

Sich assoziativ in eine Linie mit Annalena Schmidt, Claudia Roth oder Renate Künast zu stellen, ist vor diesem Hintergrund nicht nur anmaßend, sondern eine regelrechte Frechheit.

Frau Pichl führt in der PNN an, dass laut »Aussage von Kollegen aus anderen Teilen des Landes (…) direkte Drohungen oder solche per Mail, Beschimpfungen in sozialen Netzwerken, (…) inzwischen dazugehören«.

Woanders sehr wohl – in Kleinmachnow sicherlich nicht. Und in diesem besonderen Fall erst recht nicht.

PR-Stunt auf Kosten der Betroffenen

Was in Kleinmachnow mit diesem »Vorfall« wirklich eine völlig neue Qualität gewonnen hat, ist nicht etwa die Schärfe der politischen Debatte (da ging es in der Vergangenheit schon weitaus hitziger zur Sache), sondern der Versuch, durch einen PR-Stunt persönliches politisches Kapital zu schlagen – eine Strategie, die aufzugehen scheint.

Mit dem Bericht in der PNN sowie über 350 Likes für ihren Beitrag auf Twitter ist das bislang mit weitem Abstand der erfolgreichste Tweet von Frau Pichl, der voll auf der Solidaritätswelle surft – auf Kosten eines Mitglieds der Bürgerinitiative bzw. BiK, das selbst noch nicht einmal einen Twitter-Account besitzt, auf Kosten der real von Gewalt Betroffenen und auf Kosten der Öffentlichkeit.

Doch damit nicht genug – Frau Pichl legt einen Tag später erneut per Twitter nach:  

Screenshot: Twitter

Um es noch einmal zu wiederholen: Diese Aussage kommt ausgerechnet von der Person, die sich während der Einwohnerfragestunde im Rahmen der Gemeindevertretersitzung öffentlich gegen Bürger*innen echauffiert, die transparente und ehrliche Bürgerbeteiligung einfordern. Welch bittere Ironie.

Fazit

Es drängt sich leider der Eindruck auf, dass hier Themen und Menschen für die eigenen politischen Ambitionen instrumentalisiert werden, was der Sache selbst aber massiven Schaden zufügt, indem es das Vertrauen der Bürgerschaft in den politischen Prozess untergräbt.

Dabei sind die zunehmende Gewalt und Drohungen gegen Politiker*innen sowie andere zivilgesellschaftliche Akteure eine echte Gefahr, der wir noch viel mehr Aufmerksamkeit schulden.

Umso verwerflicher ist es, wenn jemand wie Frau Pichl Äußerungen im Kontext verzerrt darstellt, nur um sich öffentlichkeitswirksam als Betroffene darstellen zu können. Das setzt die Angst und das Leid wirklich Betroffener herab und macht sie selbst zur Täterin und nicht zum Opfer.

Roland Templin | Fraktionsvorsitz BiK